Europäische Plakatgeschichte

Das 19. Jahrhundert

Das erste Plakat eines Künstlers, das zu den überragenden Plakatleistungen des 19. Jahrhunderts zählt, war 1868 eine Lithografie von Edouard Manet, die für das Buch „Les Chats“ des Kunstkritikers Jules Champfleury in Frankreich warb. Literatur war auch Gegenstand des zweiten erfolgreichen Künstlerplakats: 1871 kündigte in London ein riesiger Holzschnitt von Fred Walker die Bühnenfassung des Erfolgsromans „The Woman in White“ von William Wilkie Collins an.

Der erste Künstler, der die „Plakatkunst“ jedoch professionell anwandte, war der französische Maler und Grafiker Jules Chéret. Er verwendete um 1870 die farbige Lithografie, um daraus einen ganz neuen Plakatstil zu entwickeln. Damit verband er Kunst und Reklame zu einer Einheit, die sowohl die Auftraggeber als auch die Künstler und das Publikum zu überzeugen vermochte.

Die Erfindung der Farblithographie und der Druckerpresse hatte ein Heer von Malern überflüssig gemacht. 1848 standen in Paris Hunderte von arbeitslosen Malern vor einem völlig zusammengebrochenen Kunstmarkt – und sie mussten – wie ihre künftigen Auftraggeber – lernen, sich der Reklame zu bedienen. Das grossformatige Plakatgemälde wich dem Papierbogen. Mauern, Säulen, Häuserwände verwandelten Europa in ein Panorama der Reklame.

Mit Alfons Mucha, einem gebürtigen Tschechen, erlebte die Pariser Art Nouveau einen Höhepunkt besonderer Prägung. In seinen berühmten Plakaten der Künstlerin Sarah Bernhardt verlängerte er die Figur künstlich und umkleidete sie mit kostbaren Gewändern von kultischer Pracht. In Paris übernahm der gebürtige Italiener Leonetto Cappiello nach 1900 die Nachfolge Chérets und Toulouse-Lautrecs.

Im 19. Jahrhundert waren Berlin und München die Zentren deutscher Plakattätigkeit, mit Gestaltern wie Josef Sattler, Thomas Theodor Heine oder Julius Klinger. Wien war der Mittelpunkt der österreichischen Künstlergemeinschaft „Secession“ mit Egon Schiele, Gustav Klimt oder Oskar Kokoschka. Sie übernahmen Plakataufgaben und formten in Österreich einen Stil der strengen Ornamentik, Flächigkeit und einem Minimum an Farben.

In Holland hiessen die Meister Ende des letzten Jahrhunderts J.G. Caspel oder Jan Thorn Prikker, in Belgien Privat-Livemont und in den Niederlanden Henry van de Velde. Sie entwickelten ihre eigene typische Gestaltungsform der „Art Nouveau“. In Ungarn machte sich Arpad Basch einen Namen und in Italien entwarfen einige wenige Illustratoren wie Adolfo Hohenstein, Leopoldo Metelicovitz oder Giovanni Mataloni hauptsächlich Plakate für Verleger, Theater oder Kaufhäuser.

Das 20. Jahrhundert

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war wie überall in Europa auch in Deutschland das Verhältnis zwischen Plakatwerbung und Kunst umstritten. Immerhin versuchte 1905 der vom begeisterten Plakatsammler Hans Sachs gegründete „Verein der Plakatfreunde“ unter dem Schlagwort „Kunst und Kaufmann“ die Bereiche Kunst und Kommerz anzunähern. Künstler wie Ludwig Hohlwein traten dem Verein bei. Zwischen 1910 und 1921 versuchte die von Hans Sachs und Lucian Bernhard herausgegebene Zeitschrift „Das Plakat“ ebenfalls, die Kluft zwischen Kunst und Kommerz zu beseitigen.

Die Kreationen der französischen „Belle Epoque“ übten auf die europäischen Länder starken Einfluss aus. In Deutschland entwickelten Architekten wie Ludwig Hohlwein, Peter Behrens und Franz von Stuck unverwechselbare Plakate. England hatte in Alexeieff und McKnight Kauffer fantasievolle, vom Kubismus geprägte Gestalter, die wiederum zahlreiche Schüler als hervorragende Plakatgestalter hervorbrachten.

In Frankreich passierte nach der „Belle Epoque“ relativ wenig. Als Star unter den Plakatschaffenden galt der in Livorno geborene Leonetto Cappiello. Paris war damals weltweit bei weitem die glamouröseste Metropole was Lifestyle, Theater, Mode, Architektur und Kunst betraf. Paris bot Cappiello die Bühne für seine zahlreichen Plakate. Bernard Villemot und Raymond Savignac profilierten das französische Plakat in den zwanziger und dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Als eigenwilligster und bis heute unübertroffener Plakatgestalter gilt A. M. Cassandre. Seine Plakate zeugen von einem aussergewöhnlichen Form- und Farbgefühl, einem Blick für das Wesentliche, von Ideenreichtum und der Fähigkeit, die Botschaft signethaft zu vereinfachen, ohne dabei die Dynamik und Lebendigkeit zu verlieren. Er ist und bleibt der Meister der französischen Plakatgeschichte.

In der Schweiz trugen bedeutende Künstler zur Entwicklung der schweizerischen Plakatkunst bei. Maler wie Ferdinand Hodler, Emil Cardinaux, Wilhelm Friedrich Burger, Burkhard Mangold, Augusto Giacometti, Robert Hardmeier oder Otto Baumberger schufen anfangs des 20. Jahrhunderts meisterhafte Plakate.

Die Plakatgestalter wie Dudovich, Sepo oder Nizzoli prägten den illustrativen Plakatstil in Italien. In östlichen Ländern wie Polen, Ungarn oder Russland entwickelten verschiedene Künstler eigenwillige illustrative Plakate. Und mit der Erfindung der Fotografie im letzten Jahrhundert entstanden in den zwanziger Jahren die ersten hervorragenden Fotoplakate. Zu den nennenswerten der Plakatgeschichte mit fotografischen Elementen sind die Plakate von El Lissitzky oder die Schweizer Herbert Matter, Walter Herdeg oder Hans Neuburg zu zählen.

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